„Einfacher leben“, „zurück zu den Wurzeln“, das klingt alles gut, grün und einfach. Man gräbt dicke Biokartoffeln aus, sammelt Holz und wärmt sich am Abend am Feuer. Alles ganz entspannt.
Bloss waren wohl früher alle Männer ausgesprochen praktisch veranlagt.
Das ist meiner etwas weniger. Er hat bereits als Kind stundenlange Blockflöten gespielt (freiwillig!) und um im Haus Ruhe zu haben, mussten seine Geschwister den Schlüssel zum Klavier verstecken.
Ich weiss nicht was man früher mit Männern wie meinem gemacht hat. Sehr wahrscheinlich wurden sie allesamt Lehrer. So wie meiner.
Wenigstens hat er vom Schafescheren eine Ahnung, denn dabei musste er seinem Vater jeweils helfen.
Aber hier oben brauchen wir nicht jemanden um Schafe zu scheren, sondern jemanden der einfach alles kann. Zum Beispiel den Kamin sollte man dringend reparieren. Aber für diesen Tag würde Möbel zusammenschrauben schon reichen.
„Kein Problem.“
„Ab 21.00 Uhr ist es aber stockdunkel“.
„Das sollte kein Problem sein. Ich gebe mein bestes.“
Daran zweifelte ich nicht. Und am Klavier wäre „sein Bestes“ mehr als genug gewesen. Aber immerhin waren wir bereits ein paar Jahre verheiratet. Das Beste hatte in der Praxis manchmal schlichtweg nicht ausgereicht. Und das meine ich ganz liebevoll. Für manches ist man begabt, für anderes nicht. So ist das halt. Macht die Situation aber nicht unbedingt einfacher.
Damit Erich sich besser konzentrieren konnte, verzog mich nach draussen und räume schon mal das Verpackungsmaterial weg. Anschliessend nahm ich mir eine verfallene Scheiterbeige vor und sortiere die zerbrochenen und mit Nägel gespickten alten Zaunpfähle aus.
Ab und zu warf ich einen vorsichtigen Blick ins Haus und presste dabei die Lippen zusammen um nicht zu fragen: “ Wie lange dauert es noch?“
Nach zwei Stunden wirkte Erich auch nicht mehr ganz so tiefenentspannt.
„Diese Schrauben beissen nicht, keuchte er.“ Ich zuckte zusammen.
„Wie oft hast du sie bereits rein und wieder rausgedreht?“ fragte ich möglichst emotionslos.
Erich schaute an mir vorbei.
„Ungefähr dreimal. Aber nur einige davon.“
„Aber du hast doch eine Bauanleitung.“
„Schon. Aber ich habe gedacht es sei logisch. Nun ist es doch komplizierter als dass es ausschaut.“
„Ich weiss dass du Baupläne nicht magst. Aber bitte, bitte benutze sie mir zuliebe. Wir müssen uns nun wirklich beeilen.“
„Ich weiss. “
Ich drehte versuchsweise auch mal. Schliesslich habe ich Eltern, die praktisch veranlagt sind. Es müsste eigentlich in meinen Genen liegen. (In Erichs Genen übrigens auch).
Nein, die Schrauben griffen tatsächlich nicht mehr.
Die Jungs sassen draussen in der Wiese und schauten sich ganz ruhig Donald-Duckbücher an. Sie hatten die brenzlige Situation gerochen und taten alles was sie konnten, um uns zu unterstützen.
Leider konnten wir die Übung nicht mehr auf den nächsten Tag verschieben, denn das Gestell des Doppelhochbettes lag wie das Skelett eines abgestürzten Flugdinosauriers quer in unserem winzigen Haus.
Gott sei Dank regnete es nicht. Gott! Wir haben noch gar nicht gebetet!
Rasch holten wir das noch nach und... und tatsächlich: die erste Schraube griff. Dann die Zweite. Bei der Dritten mussten wir noch einmal beten. Und dann konnten wir das Bett aufrichten!
Wir waren unglaublich erleichtert und dankbar. Die Jungs freuten sich mit. Sie wollten vor dem Schlafen unbedingt noch auf dem Hochbett spielen.
„Nur noch die Leiter“, trösteten wir sie. „Das dauert gar nicht lange!“
Die Stimmung war wunderbar gelöst. Bis sich herausstellte, dass für die Befestigung der Leiter ein Loch fehlte.
Ich schluckte leer und fand das fehlende Loch. Total im Abseits (Fussballsprache), mitten in der Bettseite, genau auf Augenhöhe.
„Irgendwo habe ich wohl einen Fehler gemacht.“ Nun klang Erich plötzlich so erschöpft, dass ich ihn tröstete: „Mindestens scheint das Bett stabil zu sein. Morgen bohren wir halt das „fehlende“ Loch noch nach. Aber den Lattenrost müssen wir noch hinkriegen. Zum Glück müssen die Matratzen nicht zusammenschraubt werden.“
„Der Lattenrost ist einfach.“ Die Zuversicht war bereits wieder in Erichs Stimme zurückgekehrt. Ich glaubte ihm nur zu gerne.
Wieder ging ich nach draussen um fertig aufzuräumen. Die ersten grossen Regentropfen klatschten auf meinen Kopf. Eilig trug ich die neuen Matratzen nach oben.
Aber die mussten erst mal vor der Türe stehen bleiben. Denn noch war kein Platz im Haus. Erich sass nämlich mit dem halbfertigen Lattenrost für das Doppelhochbett am Boden.
„Es ist doch nicht so einfach wie ich gedacht habe. Es ist ein Lattenrost, dessen Kopfteil man verstellen kann. Das habe ich zu spät gemerkt.“
„Das kann man in der Bauanleitung erkennen.“
„Ja, das habe ich nun auch gesehen.“
Ich konnte in Erichs Gesicht lesen, dass er sich wegen der „Bauanleitungsblindheit“ schuldig fühlte. Er hat viel Geduld, auch mit sich selber. Aber wenn er soweit ist, dass er sich selbst nicht mehr verstehen kann, tritt mein Beschützerinstinkt in Kraft. Gemeinsam packten wir noch einmal an.
Und dann war es soweit!
Happy hoben wir den Lattenrost hoch und liessen ihn auf den Bettrahmen gleiten. Wobei „Gleiten“ nicht das passende Wort war. Denn so sehr wir auch daran rüttelten, zogen und uns mit unserem ganzen Gewicht dran hängten, der Rost blieb zu gross. In Schräglage steckte er im Bettrahmen fest.
Diesmal dachte Erich praktisch: „Wir lassen den Rost so schief wie er ist. Runterfallen kann er nicht. Und morgen sägen wir ihn kürzer.“
„Und bohren mit dem Akkubohrer ein Loch für die Leiter“, ergänzte ich.
„Ja, und dann setzen wir noch unser eigenes Bett zusammen. Das sollte viel einfacher sein….“
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